Akkordeon

Das Akkordeon ist noch ein sehr junges Instrument. Es galt früher als das „Klavier für die Armen“, in den Hafenkneipen und auf Dorffesten zu Hause. Ein tragbares Tasteninstrument, zum Unterwegssein erfunden, wurde es von den Auswanderern in der Welt verbreitet. Inzwischen hat es sich zu einem modernen Konzertinstrument gemausert und ist auch im Konzertsaal angekommen.

Dazu beigetragen haben so grossartige Musiker wie Hugo Noth, bei dem ich das Glück hatte studieren zu dürfen. Er hat durch seine Arbeit als Lehrer und Künstler immenses für die Entwicklung und Anerkennung des Akkordeons geleistet. Er etablierte unser Instrument als gleichwertigen Kammermusikpartner auf den internationalen Konzertpodien.

Dieser Schritt war – nach der Entwicklung des Instruments und neben dem Entstehen von Originalliteratur – wahrscheinlich der wichtigste für den Fortbestand des Akkordeons. Kein Musikinstrument, nicht einmal das Klavier, ist so autark, dass es für sich bestehen kann. Kunst – Musizieren bedeutet Dialog: Inspiration durch Kommunikation über Grenzen von Instrumenten und Stilen hinweg. Ein Instrument, das ausschliesslich in seiner Enklave lebt, wird unweigerlich früher oder später eingehen.

Deshalb ist es für mich unerlässlich, die vielen musikalischen Möglichkeiten des Akkordeons auch zu nutzen und deswegen bewege ich mich damit in den verschiedensten Stilrichtungen. Ich fühle mich im klassisch-romantischen Opernrepertoire genauso zuhause wie in der Folklore, in zeitgenössischer Kammermusik genauso wie im Musiktheater. Für mich findet dabei immer ein gegenseitiges Befruchten der Stilrichtungen statt. Heute beschäftigt man sich als Akkordeonistin mit gleicher Ernsthaftigkeit mit transkribierter Barockmusik wie mit zeitgenössischer Originalmusik.

Der eigentliche Charakter ist die Vielfalt der Möglichkeiten. Er hat auch mit der Bauart dieses Instrumentes zu tun. Wenn wir mal vergessen, welche Assoziationen normalerweise mit dem Wort Akkordeon geweckt werden und das Instrument als solches betrachten, ist es eigentlich ein Blasinstrument. Das Klangerzeugungsprinzip ist die freischwingende, durchschlagende Metallzunge, die mit Luft zum Schwingen gebracht wird. Aber gleichzeitig haben wir auch die Möglichkeiten eines Tasteninstruments – durch die Erweiterung des Bassmanuals mit Einzeltönen – also das mehrstimmige Spiel mit sehr variablen Artikulationsformen.

Das ist es, was mich am Akkordeon so fasziniert – die Körpernähe und die damit verbundenen Möglichkeiten, mit klanglicher Flexibilität zu arbeiten. Es atmet mit mir, wie ein Bläser kann ich über die Körperspannung den Klang beeinflussen. Wie eine zweite Lunge mit der man zu lyrischem, expressivem Spiel genauso in der Lage ist, wie zu virtuosem, transparentem Spielen polyphoner Strukturen.

Diesen Weg, den das Akkordeon bisher gegangen ist, möchte ich fortsetzen und es in neue Kontexte einbinden. Und ich möchte die Menschen berühren, inspirieren, zum Nachdenken anregen und nicht zuletzt natürlich auch unterhalten.

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